Kontext
Flexible Arbeitszeitmodelle versprechen ein hohes Maß an selbstbestimmter Flexibilisierung. Die praktische Umsetzung zeitlicher Souveränität kann jedoch durch eine Vielzahl dominierender Faktoren der Fremdbestimmtheit begrenzt oder sogar unmöglich gemacht werden. Solche Faktoren können etwa in Form kurzfristig zu erfüllender Kundenwünsche, persönlicher Auslastungsspitzen, oder einer entgrenzungsförderlichen Arbeitskultur entstehen. Eine der großen Herausforderungen ist es daher, dass ein Mehr an zeitlichem Flexibilisierungspotenzial auf der Basis von Digitalisierung und Virtualisierung auch tatsächlich zu mehr Zeitsouveränität führt. Eine individuelle Autonomieerweiterung (etwa in Form der Vertrauensarbeitszeit) kann dies in vielen Fällen offensichtlich nicht leisten. Wenig Beachtung finden derzeit hingegen Ansätze, deren zentraler Baustein eine gemeinschaftliche Flexibilisierungsplanung und -verantwortlichkeit bildet, wodurch den Faktoren der Fremdbestimmtheit entgegenwirkt wird.
Fragestellung
Das Ziel des Forschungsvorhabens ist es, ein auf Gruppenautonomie basierendes Steuerungsmodell von Arbeitszeit zu konzeptionieren und zu erproben. Das Modell soll zeitliche Flexibilisierungspotenziale in und durch die Gruppe (etwa die Einheit / das Team) erschließen und damit einen Beitrag für die Erreichung tatsächlicher Zeitsouveränität leisten.
Wesentliche Fragestellungen, die sich aus dieser Zielsetzung ergeben, sind:
- Wie sollte ein mögliches Modell für die gruppenautonome Steuerung von Arbeitszeit im Detail aussehen, dessen Umsetzung zu einer hohen tatsächlichen Arbeitszeitsouveränität jedes einzelnen führt und zudem mögliche negative Begleiterscheinungen (wie etwa die Entgrenzung) eindämmt?
- Welche Voraussetzungen, Instrumentarien, Regelungen auf betrieblicher und auf teambezogener Ebene sind hierfür zielführend und welche Hilfestellungen sind zuträglich?
- Welche führungsseitigen Voraussetzungen müssen hierfür bestehen und welche technische Unterstützung kann sinnvoll sein?
Untersuchungsmethoden
In einem ersten Schritt sollen die, in Zeiten zunehmend innovationsgetriebener Organisationsumwelten und zuletzt auch durch die Corona-Krise hervorgerufenen, Beispiele funktionierender, gruppenbezogener Selbstorganisation erfasst und deren Voraussetzungen festgehalten werden. Neben einer literatur- und netzgestützten Recherche sollen hierbei insbesondere qualitative Methoden der Erfassung zum Einsatz kommen. Nach Aufbereitung eines ersten Modells ist eine wissenschaftlich begleitete und evaluierte Erprobung in Pilotierungsunternehmen geplant. Ziel der Pilotierung ist die Analyse, welche Komponenten (etwa funktional, kulturell und führungsseitig) ein auf Gruppenautonomie basierendes Steuerungsmodell von Arbeitszeit benötigt und wie die Voraussetzungen für die Implementierung und Realisierung hierfür auszusehen haben. Im Anschluss ist die Diskussion der Ergebnisse und ihrer Übertragbarkeitsvoraussetzungen im Expertenkreis geplant.